Das Klettern in der Pfalz basiert grundsätzlich auf der Annahme, dass Stürze oder Unfälle eher durch sauberes Stehen und gutes Festhalten vermieden werden als durch Bohrhaken oder Ringe – die fehlen in der Regel oder finden sich nur dort, wo man mit mobilen Sicherungsgeräten nicht arbeiten kann. So viel war mir noch aus meinen ersten Besuchen vor wenigen Jahren in Erinnerung geblieben. Verdrängt hatte ich einen wichtigen und nahe liegenden Aspekt: Fehlen Bohrhaken und Ringe, ist auch nicht immer so ganz klar, wo genau die Route verläuft. Die Pfalz ist in dem Sinne ein traditionelles Sandstein-Klettergebiet, dass auf allen Ebenen des Kletterns ziemlich viel verlangt wird. Einfach zu konsumieren – wie Sportkletterer das vielleicht aus anderen Gebieten gewohnt sind – ist dort gar nichts. Wer das akzeptiert und gute Nerven mitbringt, kann hier sehr schöne an- und aufregende Klettertage verbringen.
Am ersten Tag der Fahrt hätte ich allerdings sofort zugestimmt, die Sachen gleich wieder zu packen und ins Frankenjura zu fahren. Jo hätte es nur vorschlagen brauchen und wir wären weg gewesen. Der Sandstein war einfach zu sandig, die Seilreibung enorm und die Bewertungen abenteuerlich: Eine 3+ am Glasfels war eindeutig nichts für den Vorstieg und vor allem schwieriger als eine 5 am Kumbtfels 500 m Luftlinie weiter. Dafür gab es dort eine 4-, deren Querung so ambitioniert aussah, dass wir das Unternehmen gleich auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben.
Diese peinliche Hasenfüßigkeit legte sich aber mit jedem Klettererfolg immer weiter, auch wenn es auf allen Ebenen enorm spannend blieb und vor allem die Bewertungen immer wieder neue Überraschungen boten. Hochstein: Der Dornenriss (5) gelingt fast schon elegant onsight, der Normalweg (3+) – eigentlich nur in der Absicht begangen, die Pfälzerkante (5+) beim Abseilen auszuspicken – zieht uns anschließend dermaßen die Schuhe aus, dass es genug für die Frühschicht ist. Bruchweiler Geierstein: 3 und 5 werden souverän abgeräumt – der Normalweg (2+) kostet wieder unbotmäßig Nerven, aber die 7- gelingt dann zwar nur toprope, aber immerhin im ersten Anlauf. Maximaler Unterhaltungswert: Von zwei als möglicher und notwendiger Standplatz im Normalweg am Glasfels (mit direktem Einstieg 2 Sl; 6 & 4) ausgewiesenen Ringen sitzt der eine viel zu früh und eher ungünstig, dafür kommt der zweite sehr deutlich zu spät und ist vor allem schon vor Jahren abgesägt worden. Gleich der erste selbst gebaute Standplatz meines Lebens kommt also voll zum Einsatz. Wo er gebaut werden muss, ist völlig klar und da geht das dann auch gut. Aber sie gehen hier halt davon aus, dass man es drauf hat; traditionelles Klettern eben.
Am Ende wird der Normalweg auf den Fladenstein (2+) als eine der besten Routen des Sommers gelten – auch wenn die erste Reaktion darin bestand, auf keinen Fall einsteigen zu wollen. Wenn man sich so gar nicht auskennt, schüchtern die imposanten Felsen bisweilen doch arg ein. Zumal die Topos gar nicht so selten unvollständig sind bzw. sich auf einfache Beschreibungen der Routen beschränken. Wie gesagt: Man wird auf allen Ebenen voll gefordert – aber wer sich traut, wird mit toller Kletterei und häufig schönen Aussichten auf traumhaften Felsköpfen richtig großzügig belohnt.
Insgesamt hat es sich in diesem Sommer als sehr praktikabel erwiesen, morgens früh zu starten, die Mittagshitze ausführlich abzuwarten – Kochen in der Unterkunft / Mittagsschlaf / Hängematte im Wald (ein Badesee wäre auch möglich gewesen) – und am späten Nachmittag noch einmal loszuziehen. Risshandschuhe scheinen unverzichtbar und die Tricams erwiesen sich auch hier als Sicherungsmittel, dass enorm fix zu legen ist und zuverlässig sitzt. Wir haben Blut geleckt und kommen ganz sicher wieder. Da gibt es noch mindestens eine offene Rechnung am Kumbtfels.
Bericht und Bilder: Michael Tietz