Und das geht sogar gut! Die Schlüsselstellen liegen natürlich in der An- und der Abreise, weil man ja nun nicht wenig Zeug benötigt. Wenn aber die Altvorderen vierzehn Tage mit dem Rad anreisen, um sich dann in Bergschuhen und mit Hanfseil an der Nordwand des Eiger zu versuchen, kann das so schwer nicht sein. Außerdem drängt der Hauptverband sehr zu recht darauf, die Fahrten möglichst klimaneutral zu gestalten. Dass man dabei auch neue Wege ausprobieren muss, liegt auf der Hand.
Mein Freund Johannes (GOC) und ich wählten diesen Weg dann zwar auch nur aus der Not heraus – es war kein Auto verfügbar – waren dann aber dann doch verblüfft, wie glatt alles lief… oder gelaufen wäre, wenn nicht ein Stellwerk bei Mainz … aber davon später.
Fehlende Bahnsteige? Kein Problem für Kletterer 😉
Fehlende Bahnsteige? Kein Problem für Kletterer 😉
Die Anfahrt führte mit dem ICE nach Bingen und von dort mit Regionalbahnen über Kaiserslautern, Pirmasens Nord und Hinterweidenthal Ost nach Dahn. Hier sollte man nicht unterschätzen, wie schwer die Radtaschen und Rucksäcke werden, wenn tatsächlich die gesamte Ausrüstung, also auch ein Haufen Friends und Ähnliches, gleichmäßig verteilt werden müssen. Es benötigt entweder einige Körperkraft oder einen guten Plan, wie Räder und Gepäck möglichst zügig und vollständig durch die schmalen Türen eines ICE geschafft werden können. Regionalbahnen haben breitere Türen und sind häufig ebenerdig zu befahren – wenn denn Bahnsteige vorhanden sind. An den letzten beiden Stationen mussten wir quasi auf der Wiese aussteigen und das war nun wirklich auch für Kletterer ordentlich hoch. Ich denke, wenn man das künftig vorher weiß, setzt man beim Umsteigen gleich von Beginn an nicht auf Körperkraft, sondern auf Zusammenarbeit. Vielleicht sollte man auch in Hinterweidenthal aussteigen, kurz nach Hinterweidental Ort fahren und dort den Zug besteigen. Hinterweidenthal leistet sich tatsächlich drei (!) Haltepunkte. Wir wählten den Weg direkt über die Gleise, um uns wenigstens die geheimnisvolle Unterführung zu sparen, welche die beiden einzigen Gleise verbindet. Das nimmt einem aber auch der Zugführer einer ländlichen Bimmelbahn – und NICHTS anderes fährt dort – schon sehr übel. Die Situation lässt sich aber auch vollständig umgehen, indem man nach Pirmasens Hbf fährt und von dort aus mit dem E-Bike zur Unterkunft fährt. Auch bis Erfweiler benötigt man nur etwas über eine Stunde und der Radweg ist prima. Das hat allerdings erst die Rückfahrt über Saarbrücken und Koblenz gezeigt, die völlig reibungslos und meistens sehr bequem verlief, auch wenn in Koblenz wegen eines Stellwerkausfalls bei Mainz über eine Stunde gewartet werden musste.
Ein Meer aus Milch und Honig in der Pfalz
Ein Meer aus Milch und Honig in der Pfalz
Vor Ort zeigen sich dann eigentlich nur Schokoladenseiten an der Idee, das E-Bike als Fortbewegungsmittel im Klettergebiet zu nutzen. Man hat schnell heraus, dass der Kletterrucksack am besten über Kopf in die große Fahrradtasche passt und mindestens eine weitere Fahrradtasche kann von den Hängematten bis zum Buch alles aufnehmen, was man am Fels sonst noch so gebrauchen könnte. Morgens an den Fels zu radeln ist gerade dann der perfekte Start in den Klettertag, wenn man eigentlich gar nicht selber strampeln muss. Die Gegend ist einfach toll und wenn man ankommt, ist der Kreislauf trotzdem in Schwung und Sauerstoff überall dort, wo er gleich auch wirklich gebraucht wird. Gut – der Gedanke, der Akku möge bitte auch für die Rückfahrt reichen, taucht schon bisweilen auf, und es gibt Diskussionen, ob man mit dem Rad ausgerechnet auf diesem ollen Trampelpfad überhaupt etwas zu suchen hat – aber aller Anfang ruckelt und alle Sorgen erweisen sich als unbegründet. Nutzt man auch dann noch die Anfahrtbeschreibung aus dem Kletterführer, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Im Radius von 30 Minuten mit dem Rad findet sich rund um Erfweiler alles, was ein guter Kletterurlaub benötigt – selbst ein Kletttershop, den ich umstandslos zu den am besten ausgestatteten Läden der Welt zählen würde.
3,5 Stunden mehr oder: Mit persönlichem Wohlverhalten den Klimakollaps aufhalten?
3,5 Stunden mehr oder: Mit persönlichem Wohlverhalten den Klimakollaps aufhalten?
Das wird wohl eher nicht gelingen und eine gesetzliche Beschränkung des Flugverkehrs, vielleicht auch der Verbrennermotoren oder ähnliche Vorschriften für andere Zweige der Industrie würden sicher mehr bringen, als eine Umstellung des individuellen Freizeitverhaltens. Und ja – natürlich – solange nicht auch die Amis, Chinesen und Inder… und jetzt auch noch die Russen!
Trotzdem sollte in dieser Situation jedeR im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten alles tun, um Teil der Lösung zu sein und das Problem nicht noch zu verschärfen. Am Ende des Tages muss jedeR die Frage sich selbst und seinen Kindern gegenüber ehrlich beantworten, wie viel Mühe er sich denn nun tatsächlich gegeben hat. Da fallen 3,5 Stunden mehr Wegzeit bei der Anfahrt kaum ins Gewicht. 50 Euro für Hin- und Rückfahrt scheinen mir auch sehr moderat zu sein, aber da wird man abwarten müssen, wie das im nächsten Jahr aussieht.
Wie kann es gehen?
Wie kann es gehen?
Nun hat sicher nicht jedeR ein E-Bike im Keller und auch die Topographie meines Alltages ist so ebenerdig, dass ich mir frühestens in zwanzig Jahren eines kaufen werde. Aber vielleicht ist es ja eine Idee, E-Bikes untereinander zu verleihen? Vielleicht habt ihr zwei Räder im Haushalt und könntet eine Woche lang auf eines verzichten? Vielleicht schafft die Sektion welche an?
Solche und andere Fragen zur Umsetzung klimafreundlicheren Kletterns berate ich gerne mit interessierten Menschen persönlich.
Irgendwie geht das auch: Klettern in der Pfalz
Das Klettern in der Pfalz basiert grundsätzlich auf der Annahme, dass Stürze oder Unfälle eher durch sauberes Stehen und gutes Festhalten vermieden werden als durch Bohrhaken oder Ringe – die fehlen in der Regel oder finden sich nur dort, wo man mit mobilen Sicherungsgeräten nicht arbeiten kann. So viel war mir noch aus meinen ersten Besuchen vor wenigen Jahren in Erinnerung geblieben. Verdrängt hatte ich einen wichtigen Aspekt: Fehlen Bohrhaken und Ringe, ist auch nicht immer so ganz klar, wo genau die Route verläuft. Die Pfalz ist in dem Sinne ein traditionelles Sandstein – Klettergebiet, dass auf allen Ebenen des Kletterns ziemlich viel verlangt wird. Einfach zu konsumieren – wie Sportkletterer das vielleicht aus anderen Gebieten gewohnt sind – ist dort gar nichts. Wer das akzeptiert und gute Nerven mitbringt, kann hier sehr schöne an- und aufregende Klettertage verbringen.
Am ersten Tag der Fahrt hätte ich allerdings sofort zugestimmt, die Sachen gleich wieder zu packen und ins Frankenjura zu fahren. Jo hätte es nur vorschlagen brauchen und wir wären weg gewesen. Der Sandstein war einfach zu sandig, die Seilreibung enorm und die Bewertungen abenteuerlich: Eine 3+ im Glasfels war eindeutig nichts für den Vorstieg und vor allem schwieriger als eine 5 im Kumbtfels 500 m Luftlinie weiter. Dafür gab es dort eine 4-, deren Querung so ambitioniert aussah, dass wir das Unternehmen gleich auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben.
Diese peinliche Hasenfüßigkeit legte sich aber mit jedem Klettererfolg immer weiter, auch wenn es auf allen Ebenen enorm spannend blieb und vor allem die Bewertungen immer wieder neue Überraschungen boten. Hochstein: Der Dornenriss (5) gelingt fast schon elegant onsight, der Normalweg (3+) – eigentlich nur in der Absicht begangen, die Pfälzerkante (5+) beim Abseilen auszuspicken – zieht uns dermaßen die Schuhe aus, dass es genug für die Frühschicht ist. Bruchweiler Geierstein: 3 und 5 werden souverän abgeräumt – der Normalweg (2+) kostet wieder unbotmäßig Nerven, aber die 7- gelingt dann zwar nur toprope, aber immerhin im ersten Anlauf.
Maximaler Unterhaltungswert: Von zwei als möglicher und notwendiger Standplatz ausgewiesenen Ringen sitzt der eine viel zu früh und eher ungünstig, dafür kommt der zweite sehr deutlich zu spät und ist vor allem schon vor Jahren abgesägt worden. Gleich der erste selbst gebaute Standplatz meines Lebens kommt also voll zum Einsatz. Sie gehen hier halt davon aus, dass man es drauf hat.
Am Ende muss der Normalweg auf den Fladenstein (2+) als eine der besten Routen des Sommers gelten – auch wenn die erste Reaktion darin bestand, auf keinen Fall einsteigen zu wollen. Wenn man sich so gar nicht auskennt, schüchtern die imposanten Felsen bisweilen doch arg ein. Zumal die Topos gar nicht so selten unvollständig sind bzw. sich auf einfache Beschreibungen der Routen beschränken. Wie gesagt: Man wird auf allen Ebenen voll gefordert – aber wer sich traut, wird mit toller Kletterei und häufig schönen Aussichten auf traumhaften Felsköpfen richtig großzügig belohnt.
Insgesamt hat es sich in diesem Sommer als sehr praktikabel erwiesen, morgens früh zu starten, die Mittagshitze ausführlich abzuwarten – Kochen in der Unterkunft / Mittagsschlaf / Hängematte im Wald (ein Badesee wäre auch möglich gewesen) – und am späten Nachmittag noch einmal loszuziehen. Risshandschuhe scheinen unverzichtbar und die Tricams erwiesen sich auch hier als Sicherungsmittel, dass enorm fix zu legen ist und zuverlässig sitzt. Wir haben Blut geleckt und kommen ganz sicher wieder. Da gibt es noch mindestens eine offene Rechnung am Kumbtfels.
Bericht und Bilder: Michael Tietz