Artikel zum Tauernhöhenweg von Peter Angermann

Der Tauernhöhenweg
Heiligenblut, Mallnitz und Malta

Ein beinahe ins Vergessen geratener Weitwanderweg im Herzen des Nationalparks Hohen Tauern – vom Glocknergebiet ins Reich der Tauernkönigin

Die Pässe in den Hohen Tauern dürften schon vor rund 5.000 Jahren begangen worden sein. Erste Spuren befestigter römischer Passstraßen reichen von rund 100 Jahren vor Beginn unserer Zeitrechnung bis ins späte zweite Jahrhundert nach Christi und die alten Wege sind an mehreren Stellen im Tauerngebiet nach wie vor gut im Gelände erkennbar. Die meisten dieser frühen Wege querten die Alpen in nordsüdlicher Richtung und gerieten im Mittelalter in Vergessenheit.
Am Beginn der Neuzeit wurde ein Teil dieser Wege schließlich von Tauernsäumern und Händlern wiederentdeckt und dienten diesen, dort wo die Weganlagen noch benutzbar und nicht der alpinen Erosion zum Opfer gefallen waren, als alpenquerende Wege über die Hohen Tauern. Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die Wege in diesem Teil des Alpenhauptkamms auch in westöstlicher Richtung angelegt. Jetzt standen aber völlig andere Gründe hinter dem Wegebau. Dienten die „Hochalpinen Altstraßen1“ der Antike und der Neuzeit vorwiegend der Kriegsführung sowie für den Transport des wertvollen Tauerngolds nach Rom und – ab dem Beginn der Neuzeit – auch zu Zwecken des wiederaufgenommenen Bergbaus, so wurden diese neuen Wege nun aus alpinistischen Motiven gebaut.

Deutsche Sektionen leisten Pionierarbeit
Der genaue Zeitraum der großen alpinistischen Erschließungen in diesem Teil der Hohen Tauern beginnt im Jahr 1888 mit dem Bau der alten Hannoverhütte in Mallnitz durch die DuÖAV Sektion Hannover und findet seinen Abschluss im Jahr 1932 mit der Fertigstellung des nach dem langjährigen Vorsitzenden der Sektion Hagen benannten Westerfrölkeweges samt Errichtung der Böseckhütte von der Feldseescharte zur Lonza als Verbindungsweg zur Hagener Hütte. Eine Besonderheit im Gebiet der Hohen Tauern ist der Umstand, dass ein großer Teil der Schutzhütten und der sie verbindenden Wege nicht von österreichischen, sondern von deutschen Sektionen des im Jahre 1873 zu einem gemeinsamen Verein zusammengeschlossenen Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (DuÖAV) errichtet bzw. angelegt wurden. Aus dieser Frühzeit des alpinen Tourismus haben sich die Arbeitsgemeinschaft Tauernhöhenwege (ARGE THW) und der 2019 gegründete Verein Tauernhöhenweg e. V. der 17 Anrainersektionen der seit 1945 wieder eigenständig agierenden alpinen Vereine DAV und ÖAV entwickelt.
Hochalpine Mehrtagestour Von Heiligenblut nach Mallnitz und Malta
Das sehr dichte Netz von Schutzhütten am Tauernhöhenweg ermöglicht es, die Touren im Tauerngebiet auch in einzelnen Tagesetappen zu begehen. Am nachhaltigsten bleibt der Tauernhöhenweg aber bei einer mehrtägigen Wanderung mit Hüttenübernachtungen in Erinnerung. Wegen fallweiser Schneefelder sollte aber zur Sicherheit bis zum Beginn des Hochsommers immer auch geeignete Gletscherausrüstung (Pickel und Steigeisen) im Rucksack sein.
Alter Pocher – Zittelhaus
Die hier vorgestellte Variante des Tauernhöhenwegs hat ihren Beginn beim Alpengasthof Alter Pocher im Goldgräberdorf im Heiligenbluter Fleißtal. Die erste Etappe der Tour führt uns entlang des Weges Nr. 159 über das Kleine Fleißkees bis zum höchsten Punkt der Tour auf das 3.105 m hoch gelegenen Zittelhaus des Alpenverein Rauris am Gipfel des Sonnblicks. An Wegzeit sollte man für den ersten Tag rund fünf bis sechs Stunden einplanen.
Zittelhaus – Hagener Hütte
Am nächsten Tag bei guter Schneelage am Vogelmeier- Ochsenkar-Kees entlang oder – ziemlich ausgesetzt – entlang des Gratwegs Nr. 122 in etwa 1 ½ Stunden Abstieg zur Rojacherhütte (Alpenverein Rauris) auf 2.718 m Seehöhe. Weiter geht es von hier ins etwa 200 Meter tiefer gelegene Gruepete Kees, zum tiefsten Punkt dieses Teilstücks der Tour. Ab hier führt der Weg in südöstlicher Richtung zur rund 200 Meter höher gelegenen Niederen Scharte und weiter in nordöstlicher Richtung zur Fraganter Scharte auf 2.753 m. Der Abstieg zum kaum mehr vorhandenen unteren Teil des Wurtenkeeses ist in weiten Kehren angelegt und der Weg (Nr. 102) führt dann weiter am Talboden entlang des Hochwurtenspeichers und dann wieder sanft ansteigend zur Duisburger Hütte der gleichnamigen DAV-Sektion. Wer nach den insgesamt etwa 4 ½ Stunden Gehzeit hungrig ist, findet hier Gelegenheit, auf der Terrasse der Schutzhütte ein wohlschmeckendes Mittagessen inmitten einer prächtigen Bergkulisse zu genießen. Weiter geht’s in etwa 2 Stunden Gehzeit am Duisburg-Hannover-Weg in südöstlicher Richtung am Kleinen Feldsee vorbei und – am letzten Stück wieder stark ansteigend – hinauf zur Feldseescharte mit dem Weißgerber- Biwak auf 2.712 Metern Seehöhe. Nach kurzer Pause dann unterhalb des mächtigen Geiselmassivs in weiteren zwei Stunden zur Hagener Hütte (DAV Sektion Hagen) auf ein herzhaftes Abendessen und zum Übernachten.
Hagener Hütte – Mindener Hütte – Hannoverhaus
Am dritten Tag und nach einem ausgiebigen Frühstück bei Sissi und Hans Aschbacher auf der Hagener Hütte am hier als Hagener Weg bezeichneten Tauernhöhenweg (Nr. 102) in etwa 1½ Stunden Gehzeit zunächst in südöstlicher Richtung zur Romatenscharte oberhalb des Bockriegels. Dann in nördlicher Richtung unter halb der Romatenbretter – Achtung: In diesem Wegstück sind oft bis Mitte Juli zwei sehr steile Altschneefelder zu queren – über die sogenannte „Öde Woisken“ und weiter zur Mindener Hütte (Selbstversorgerhütte auf 2.428 m Seehöhe), die man nach weiteren 2 ½ Stunden erreicht. Während der Mittagspause bietet sich von hier aus in östlicher Richtung ein schöner Blick zum 3.250 m hohen Ankogel und auf die „Tauernkönigin“, die 3.360 m hohe Hochalmspitze. Bei der Hüttenquelle können die Wasservorräte aufgefüllt werden. Weiter dann am Göttinger Weg in nordöstlicher Richtung entlang des Weges Nr. 102 zum Kleinen Tauernsee mit der in diesem Bereich sehr gut erkennbaren „Römerstraße“ und weiter am nunmehr mit der Wegnummer 502 bezeichneten Tauernhöhenweg in etwa 4 Stunden Gehzeit von der Mindener Hütte zum neuen Hannoverhaus auf rund 2.550 Metern am Elschesattel. Ein Abendessen auf der Hüttenterrasse mit Blick über das Mallnitzer Seebachtal mit der Hochalmspitze im Hintergrund ist ein unvergessliches Erlebnis.
Hannoverhaus – Osnabrücker Hütte
Der vierte Tag führt vom Hannoverhaus in östlicher Richtung am Weg 502 und an der Wegabzweigung etwa eine halbe Stunde nach der Kleinhapscharte weiter in nordöstlicher Richtung in etwa 2 Stunden Gehzeit hinauf auf die Großelendscharte (2.675 m).
Nach einer weiteren knappen Stunde erreicht man im Bereich des Fallbodens in 2.334 Metern Seehöhe die Abzweigung zu den beiden Schwarzhornseen. Diesen etwa 2 Stunden dauernden Abstecher zunächst auf Weg Nr. 538, dann 539, sollte sich wegen des pittoresken Blicks vom Oberen Schwarzhornsee zum Großelendkees und der darüberliegenden Hochalmspitze niemand entgehen lassen.
Danach wieder zurück zum Weg Nr. 502 und ab der Wegkreuzung in etwa 1½ Stunden Gehzeit hinunter zur auf 2.022 Meter gelegenen Osnabrücker Hütte zum Übernachten.
Am nächsten Morgen dann zunächst entlang des Großelendbachs in nordöstlicher Richtung zum Kölnbrein-Speichersee und in insgesamt etwa 2½ Stunden auf ebenem Weg entlang des Sees zum Berghotel Malta.
Autor: Mag. Peter Angermann, MAS, Studium der Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaft, Obmann des Alpenverein Mallnitz und Geschäftsführer des Landesverbands Kärnten.
Hinweis: Der Artikel ist erstmals im ÖAV Verlag BERGAUF 04/2019 erschienen.